Botanischer Garten Bochum steckt voller Wissen und Wunder

Botanischer Garten Bochum – er ist ein Pflanzenparadies an der Ruhr-Universität und eine der größten Anlagen der über 100 Botanischen Gärten in Deutschland. Der wissenschaftliche Leiter Wolfgang Stuppy zeigt Lieblingsorte.
Wassersprenger befeuchten am Morgen die Blüten, das Grün, die Erde und Luft im Botanischen Garte Bochum. Die Pflanzen atmen auf, der Sprühregen streift eine Spaziergängerin. Sie nimmt den kühlen Gruß amüsiert hin. Denn die Tage im August hatten es in sich mit viel Sonnenschein und Temperaturen über 30 Grad. „Ich warte auf Regen, vor allem für die Bäume“, sagt Dr. Wolfgang Stuppy. Der wissenschaftliche Leiter des Bochumer Pflanzenparadieses zeigt gerne seinen Arbeitsplatz, den Botanischen Garten der Ruhr-Universität Bochum. Verständlich – denn wer nur einmal die rosa- und pinkfarbenen Lotusblüten und Seerosen im Teich neben den Gewächshäusern gesehen hat – der wird kaum daran zweifeln: Die Natur ist ein Wunderwerk.
Neues Staudenbeet: Botanischer Garten Bochum blüht auch im Herbst
Den kleinen Platz mit Sitzgelegenheiten direkt vor den Schaugewächshäusern veredelt seit diesem Jahr ein neues Staudenbeet, gepflanzt von Stuppys Ehefrau und Gärtnerin im Botanischen Garten Emma Lochner-Stuppy. „Das Staudenbeet ist so gepflanzt, dass es das ganze Jahr etwas zu sehen gibt“, sagt der Gatte.
Inspiriert von der naturalistischen Ästhetik des niederländischen Gartengestalters Piet Oudolf wachsen neben neuen spektakulären Züchtungen auch Wildarten. Ungewöhnliche Stauden wie der Penstemon aus Mexiko, bekannt als Bartfaden, blühen bis in den September. Derweil bevölkern auch die Bienen das neue Blütenbuffet – ein lebendiger Ort, der Inspiration sein kann. „Wir wollten den Leuten zeigen, was sie im eigenen Garten alles machen können“, so der wissenschaftliche Leiter.
Chili „Carolina Reaper“ bietet Schärfegrad 10 +, was bedeutet: ohne Worte

Gleich gegenüber wecken unzählige Schoten das Interesse eines Besuchers, der mit seiner Begleiterin zwischen den 170 Chili-Pflanzen umherstreift. „Die Grünen, von denen man es gar nicht erwartet, sind die schärfsten“, meint er zu wissen. Doch ist das wirklich so? In der traditionellen Chili-Ausstellung im Botanischen Garten Bochum können die Besucher viel über die in der Küche so beliebte Gewürzschote erfahren. Eine der feurigsten Vertreterinnen, die „Carolina Reaper“, ist dann aber doch eine knallrote Variante. Die Früchte aus aller Welt bieten ein Farbspektakel von Gelb über Grün, Orange, Rot, Violett bis fast Schwarz.
„Die Leute sind verrückt auf die Chili-Ausstellung, sie rufen an und fragen: Wann kommen die Chilis? Wir bieten auch eine Führung durch die Ausstellung mit Verkostung an. Wer ganz starke Nerven hat, kann dabei mitmachen“, schildert Stuppy.
Mitteleuropa vor 20 Millionen Jahren
Und wohin jetzt, Herr Stuppy? Der Botaniker fackelt nicht lange und führt zu dem Ort, den Hochzeitspaare gegen eine Gebühr gerne als Fotokulisse wählen. Mystisch liegt der Tertiärteich gleich neben den Gewächshäusern. In wenigen Schritten reist der Besucher in das längst vergangene Erdzeitalter des Tertiärs, als das Klima in Mitteleuropa noch subtropisch warm war. „Mit seinen urtümlich anmutenden Sumpfzypressen, die ihre typischen Wurzelknorren über die Wasseroberfläche schicken, gibt der Tertiärteich einen Eindruck von der Vegetation Mitteleuropas vor circa 20 Millionen Jahren“, erläutert Stuppy.
Der Weg vom Tertiärteich hinab führt bald zum Chinesischen Garten „Qian Yuan“. Der Name bedeutet „Qians Garten“ und erinnert an den berühmten chinesischen Dichter Tao Yuanming (365-427 n. Chr.), dessen „Bericht vom Pfirsichblütenquell“ in China schon die Kinder kennen. Der Garten im südchinesischen Stil wurde 1990 als Geschenk der Tongji-Universität Shanghai an die Ruhr-Universität zum 25-jährigen Jubiläum eingeweiht. Seither dient das offene Gebäude mit Rundweg den Menschen als Rückzugsort. Erst neulich saß ein junges Mädchen im Teenageralter im Schneidersitz auf den Felsen am Koi-Teich und schien sich von der medialen Flut des digitalen Zeitalters zu erholen.
Zwei Blätter der Wüstenpflanze halten das ganze Leben lang
Besonders ruhig mutet auch die Düne an, zu der Wolfgang Stuppy als letztes führt. Der geschwungene Landschaftsstrich zeigt den Übergang von der Weiß- zur Grau- bis hin zur Braundüne. „Wir überlegen, noch mehr Sand aufzuschütten, sodass sie mehr Höhe kriegt und es aussieht wie am Strand“, sagt der Botaniker. Aber auch so weckt der Anblick der Düne mitten im Botanischen Garten Bochum die Küstensehnsucht.
Freilich gibt es noch viele Besonderheiten zu entdecken im Botanischen Garten – aus Europa, Nordamerika und Asien. In den Schaugewächshäusern leben pflanzliche Gestalten der Tropen und Wüste wie die ungewöhnliche Welwitschia mirabilis aus der Namib-Wüste Namibias und Angolas. Sie gehört zu den Nacktsamern und produziert nach den Keimblättern nur zwei Laubblätter, die sie zeitlebens behält.
Kurzum: Wunder allerorts und Sensationen zu erwarten – an dieser Stelle sei noch einmal an die gigantische Blüte des Titanenwurz erinnert, die sich 2017 nach acht Jahren im Botanischen Garten Bochum das erste Mal öffnete.